Text und Bilder: Edeltraut Döbler
Durch die Anschläge des 11. September 2011 wurde Frau Schefter und ihre Arbeit einer größeren Anzahl von Menschen bekannt. Seit dieser Zeit fördert unserer Club ihre Arbeit im Krankenhaus Chak-e-Wardak. Nach dem Blitzschnellen Abzug aller Soldaten aus Afghanistan im Sommer 2021 geriet Afghanistan wieder in die Schlagzeilen. Die Präsidentin der deutschen Union von SI nannte in ihrem Rundschreiben aktuell auch Chak als eine von drei förderungswürdigen Institutionen. Daher hier eine aktualisierte Übersicht über die Situation im Krankenhaus.
Chak-e-Wardak ist ein Ort mit deutscher Geschichte. Schon 1919 wurden dort deutsche Interessen vertreten. Es steht ein ehemals, 1930, von Deutschen betriebenes Wasserkraftwerk in dem Ort, als Karla Schefter – eine deutsche Fachkrankenschwester für den Oparationsdienst – den Ort 1987 erstmals auf ihren Reisen besucht und eine Art 'medizinischer Versorgung' für die kriegsgeschädigte Bevölkerung in einem Turbinenraum des Kraftwerks organisiert.
Seit dieser Zeit gehört der Krieg zum Alltag der afghanischen Bevölkerung und er war sowohl in den Städten als auch auf dem Land zu spüren. Nach dem Einmarsch der Sowjetunion 1979 kämpften die von den Vereinigten Staaten und Saudi-Arabien finanzierten Mudschaheddin gegen die Besatzer und die von ihnen gestützte Regierung.
Eine medizinische Versorgung – mit oder ohne Kriegshandlungen – war in der ganzen Region nicht vorhanden. Die beobachtete Not zu lindern war der Antrieb von Frau Schefter als sie nach langen Verhandlungen mit den örtlichen Taleban (anfangs ohne direkten Blickkontakt gegenübersitzend und durch eine spanische Wand getrennt) ihre humanitäre Arbeit begann.
Schon die in der Turbinenhalle des Wasserkraftwerks 1989 errichtete erste Krankenstation wies eine Abteilung für Frauen und Kinder auf – eine bis heute bestehende Besonderheit. Frau Schefter versuchte die Einrichtung und die Versorgungsmaterialien durch ihre alten OP-Kontakte zu organisieren, musste aber feststellen, dass dies kein guter Weg war und von Afghanistan aus zudem nur sehr schwer zu organisieren und zu realisieren ist. Sie kam zurück nach Deutschland und organisierte ein ehrenamtliches Komitee aus 3 Personen für die Spendensammlung und -verwaltung.
Frau Schefter unterbrach im Winter ihren Aufenthalt in Afghanistan und hielt vor Interessierten Vorträge über das Leben in Afghanistan und die Klinik. Sie kann ausgezeichnet erzählen und hat in den Jahren in denen sie dort Sommers wie Winters gelebt hat einen ausgezeichneten Einblick in das (kärgliche) afghanische Leben gewinnen können.
In über 35 Jahren entwickelte sich – auch mit deutschen Spendengeldern finanziert – durch Afghanen in traditioneller Bauweise errichtet das heutige Klinikgelände mit einem Frauen- und Kinderhospital, einem Männer- und Jungenhospital, Wäscherei, Bäckerei, Vorratsräumen, einer Ambulanz, einer Röntgen- und OP-Abteilung, einem Impfzentrum, einem kleinen Labor und einer Zahnpraxis.
Nicht zu vergessen sind die Wohnhäuser für die dort tätigen Ärztinnen und Ärzte. Besonders an letzterem hängt eine ganze Familie, ohne die die Ärztinnen nicht tätig sein könnten. Auch aktuell ist der Unterricht für die Kinder der Beschäftigten ein wichtiges Angebot, das die Menschen bewegt in Chak zu arbeiten und nicht in die Hauptstädte zu ziehen.
Die medizinische Versorgung der Landbevölkerung erfolgt kostenfrei, ebenfalls eine Besonderheit. Diejenigen, die stationär aufgenommen werden, werden von Ihren Angehörigen pflegerisch versorgt. Die Angehörigen arbeiten darüber hinaus für die Klinik (ausladen, wegräumen, aufräumen, putzen, etc.) und erhalten dafür drei mal am Tag Tee und Fladenbrot. Bei guter Versorgungslage (Finanzlage) angereichert mit einer täglichen Portion Linsenbrei.
Es gab auch in der Provinz und Klinik Chak coronaerkrankte Patienten und Mitarbeiter. Die wenige Fälle hatten alle milde Verläufe. Durch konsequente Isolierung konnte eine Ausbreitung in der Klinik verhindert werden, im Landkreis sind die Zahlen konstant niedrig. Erklärt wird dies mit den weiten Strecken zwischen den Bergdörfern und der schlechten Infrastruktur. Die meisten Bergdörfer sind sehr klein und ein Infizierter vor Ort hat auch nur sehr wenig Kontakte
Dennoch brachten die Hygienemassnahmen eine große Umstellung für die Klinik, denn die Behandlung der leicht erkrankten Menschen wurde sehr reduziert, das Angebot der stationären Versorgung blieb erhalten.
Die ambulant versorgten Patienten (z.B. Durchfallerkrankungen und Verbrennungen von Frauen und Kindern) erhalten ihre Medikamente oder ihre Behandlung nachdem sie an einer aktuellen Gesundheitsschulung teilgenommen haben. Es wird erwartet dass sie in ihren Dörfern als Multiplikatoren fungieren, da im Moment die Gesundheitsschulungen und Impfungen durch die angelernten Helferinnen und Helfer nur eingeschränkt stattfinden.
Besonders in den Sommermonaten steigt durch anhaltende Trockenheit und ärmliche Lebensbedingungen die Anzahl der durchfallerkrankten Kinder, die eine stationäre Versorgung benötigen, rasant an. Teilweise wurden bis zu 800 Patienten pro Monat behandelt. Das ist in einem 60-Betten Haus nur möglich durch die Aufstellung zusätzlicher Feldbetten im Freien oder in Zelten, durch extrem kurze Liegezeiten und weil sich teilweise mehrere Menschen (einer Familie, eines Dorfes) ein Bett teilen.
Für die afghanische Landbevölkerung in der Provinz Wardak (und darüber hinaus) ist das humanitäre Angebot dieser Klinik jedoch durch nichts zu ersetzen.
Auch nach der aktuellen Machtübernahme durch die Taliban ist die hohe Akzeptanz der örtlichen Schura (Dorfversammlung, auch vorher mit Taleban besetzt) erhalten geblieben. Man unterstützt die Ärztinnen und Ärzte vor Ort. So hat schon vor der Machtübername die Schura ihre Unterstützung für den Versuch einen orthopädischen Chirurgen mit mehr OP-Erfahrung zu gewinnen zugesagt.
Das ist sicher auch möglich, weil Frau Schefter und ihre afghanischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter es geschafft haben, dass die Klinik seit ihrer Gründung als unabhängig und überparteilich wahrgenommen wird. O-Ton: „Wir sind medizinische Partei und sonst nichts“
Nach dem Rücktritt von drei ehrenamtlichen Vorstandsmitglieder aus Altersgründen wurde am 14.3.2020 ein neuer Vorstand gewählt.
Dankenswerterweise engagiert sich als Vorsitzender Ludwig Pichler, der Rektor des Gymnasiums Oberhaching. Diese Gymnasium engagiert sich ebenfalls seit langer Zeit mit einem jährlichen AfghanistanTag für die Klinik und hat somit ebenfalls eine lange Verbindung zu Chak.
Da alle Vorstandsmitglieder beruflich tätig sind wurde der Vorstand auf fünf Personen erweitert.
Mehr Informationen zum Krankenhaus und zu Ihren Möglichkeiten zu spenden unter: https://www.chak-hospital.org/. Sie können Sich dort auch den aktuellen Chak-Newsletter herunterladen!